• 14.01.2008 14:22

Theissen: "Wir können die Lücke schließen"

Motorsportdirektor Mario Theissen sprach bei der Präsentation des BMW Sauber F1.08 über die Ziele 2008, die Stärken des Teams und die Herausforderungen

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Mario, Sie lächeln, ist das Nervosität, Erwartung oder einfach nur ein bisschen Zuversicht für 2008?"
Mario Theissen: "Es ist vor allem Zuversicht. Wir haben einen recht langen Weg hinter uns. Inzwischen ist es zweieinhalb Jahre her, dass das neue Team formiert wurde. Wir hatten zwei starke Jahre und wir haben viel Mühe in das neue Auto gesteckt. Im F1.08 steckt alles, was wir in den vergangenen beiden Jahren gelernt haben und erlebt haben. Ich denke, dass es wieder ein großer Schritt nach vorn sein wird und wir sind natürlich sehr zuversichtlich, aus dem Kampf der beiden Teams vor uns einen Kampf zwischen mehr als zwei Teams machen zu können."

Titel-Bild zur News: Peter Sauber, Mario Theissen

Peter Sauber und Mario Theissen bei der Präsentation des BMW Sauber F1.08

Frage: "Wie realistisch ist Ihr Ziel, in Ihrer dritten Saison Siege zu holen?"
Theissen: "Es wird sicher schwierig sein, denn die zwei Teams vor uns sind die Stärksten und haben die meiste Erfahrung. Auch sie werden über den Winter sicher einen großen Schritt nach vorn machen. Das kann nur bedeuten, dass wir uns noch mehr verbessern müssen als sie es tun werden. Da wir in den vergangenen beiden Jahren gute Fortschritte gemacht haben, bin ich sehr zuversichtlich, dass uns das wieder gelingen wird und wir die Lücke schließen können."#w1#

Frage: "Die vergangenen beiden Jahre wurden als Aufbauphase bezeichnet - wird es jetzt ernst?"
Theissen: "Ja, das stimmt. Die zweijährige Aufbauphase wurde mit dem Ende des vergangenen Jahres abgeschlossen. Wir haben alle Leute an Bord, in der neuen Fabrik wurde die Arbeit aufgenommen, alle Maschinen laufen, damit haben wir jetzt unsere volle Stärke erreicht und freuen uns wirklich schon auf die neue Saison."

"Von der Größe her sind wir also ein Mittelfeld-Team, aber vom Ehrgeiz her möchten wir ein Spitzenteam sein." Mario Theissen

Frage: "Wieviele Leute arbeiten nun für das Team?"
Theissen: "In Hinwil haben wir nun 430 Mitarbeiter, wir haben uns dort von 275 auf 430 Mitarbeiter gesteigert. Genauso hatten wir es für den Zeitraum von zwei Jahren geplant. In München haben wir etwa 300 Mitarbeiter, insgesamt sind es also 730. Von der Größe her sind wir also ein Mittelfeld-Team, aber vom Ehrgeiz her möchten wir ein Spitzenteam sein."

Piloten als Schlüsselpersonen

Frage: "Was erwarten Sie sich von Ihren beiden Piloten?"
Theissen: "Sie sitzen hier, also denken wir, dass sie die besten Piloten sind. Ich bin mir sehr sicher, dass beide in diesem Jahr noch besser werden können, da das neue Auto eine Steigerung zu dem sein sollte, das wir im letzten Jahr hatten. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zwischen den Fahrern und den Ingenieuren. Für mich sind die Piloten nicht nur zwei Jungs, die das Auto fahren, sondern sie sind Schlüsselpersonen des Technikteams. Und ich denke, dass wir mit Nick und Robert sicher sein können, weitere Fortschritte zu machen."

Frage: "Sie möchten, dass das BMW Sauber F1 Team zwar nicht das größte Team im Feld ist, aber das effizienteste Team. Wie nah sind Sie daran, dieses Ziel zu erreichen?"
Theissen: "Wenn man sich ansieht, was wir im letzten Jahr erreicht haben, dann kann man durchaus sagen, dass wir effizient sind. Denn wir waren die drittstärkste Kraft, als wir das Team noch aufgebaut haben. Und wenn man im Team arbeitet, dann spürt man unsere Effizienz. Es ist uns gelungen, die Effizienz des früheren Sauber-Teams zu wahren, das sicherlich kleiner war als all die großen Teams. Wir sind größer geworden, aber ich glaube nicht, dass wir in Sachen Effizienz irgendetwas eingebüßt haben. Deshalb denken wir, dass 730 Mitarbeiter ausreichend sind und unsere Ressourcen uns ermöglichen werden, weiter nach vorn zu kommen."

"Wir geben nicht mehr aus, im Gegenteil - wir geben wesentlich weniger aus." Mario Theissen

Frage: "Kommen wir zum Thema Geld: Wie viel geben Sie nun als eigenes Team mehr aus als damals als Motorenlieferant?"
Theissen: "Wir geben nicht mehr aus, im Gegenteil - wir geben wesentlich weniger aus. Das liegt zum Teil am Reglement, vor allem aber an den sehr starken Partnern, die wir im Team haben und sie uns finanziell unterstützen. BMW gibt also wesentlich weniger aus als früher."

Neue Herausforderungen für die Ingenieure

Frage: "Beim Motor kann man nicht mehr viel verändern. Wie frustrierend ist das für Sie als Motorenspezialist?"
Theissen: "Es ist nicht allzu frustrierend, es bleibt noch genügend Arbeit übrig. Denn wir werden uns in der Formel 1 in den kommenden Jahren vom konventionellen Verbrennungsmotor hin zu immer komplexeren Antriebssträngen hin bewegen. An diesen Dingen arbeiten wir natürlich schon. Aber selbst für dieses Jahr gab es einiges zu tun, da gab es zum Beispiel die neue Standard-ECU, die uns in den vergangenen Monaten einige Kopfschmerzen bereitet hat. Aber auch beim Getriebe gab es viel zu tun. Das neue Getriebe muss vier Rennwochenenden durchhalten und das ist etwa sechsmal die Distanz, die das Getriebe im vergangenen Jahr absolvieren musste. Das ist eine ziemliche Herausforderung und wir haben wieder ein komplett neues Getriebe entworfen und entwickelt."

"Man findet also schon etwas, aber es ist nicht so wie vor fünf oder sechs Jahren, wo man einen völlig neuen Motor gebaut hat, der gleich 50 PS mehr hatte." Mario Theissen

Frage: "Ist es Ihnen gelungen, noch irgendwie ein paar PS mehr zu finden?"
Theissen: "Man findet immer ein bisschen was. Heutzutage kann das Umfeld des Motors noch weiterentwickelt werden, zum Beispiel das Ansaug- und Auspuffsystem. Man findet also schon etwas, aber es ist nicht so wie vor fünf oder sechs Jahren, wo man einen völlig neuen Motor gebaut hat, der gleich 50 PS mehr hatte. Diese Zeiten sind vorbei. Aber mit der Einführung von KERS, das wir schon in 14 Monaten einsetzen werden, sind wir derzeit sehr damit beschäftigt, den Verbrennungsmotor mit dem Elektrik-Motor und der Batterie zu kombinieren und das ist wieder sehr aufregend für die Ingenieure."

Hauptaugenmerk liegt derzeit auf dem Getriebe

Frage: "Das Getriebe muss, wie angesprochen, vier Rennwochenenden lang halten. Wie zuversichtlich sind Sie, dass da alle Zuverlässigkeitsprobleme gelöst sind?"
Theissen: "Das ist jetzt unsere Hauptaufgabe, denn es geht nicht nur um das Getriebe. Es ist ein sehr komplexes System von mechanischen Teilen, dem Getriebe selbst, Hydraulik und elektronischen Kontroll-Einheiten, die das Getriebe steuern. Wir hatten in der Vergangenheit mehrere Probleme, vor allem wegen der neuen Elektronik, die anders arbeitet als das, was wir bisher hatten. Deshalb hatten wir schon beim Prototypen zwei Getriebeschäden. Das ist nicht nur teuer, sondern kostet auch viel wertvolle Zeit in der Entwicklungsphase. Aber wir nähern uns dem Ziel und kümmern uns um die einzelnen technischen Details und ich denke, dass wir im März fertig sind."

Frage: "Sie setzen ein Schnellschaltgetriebe ein. Was bringt das und was sind die Tücken daran?"
Theissen: "Es ermöglicht, dass ohne Zugkraftunterbrechung geschaltet werden kann. Man fährt für eine gewisse Zeitspanne in zwei Gängen gleichzeitig. Das kann man nur ein paar Millisekunden lang machen. Wenn man das nicht sehr genau unter Kontrolle hat, dann ist das gesamte Getriebe dahin und kaputt."