• 13.04.2025 07:05

  • von S.Codling, Co-Autor: F.Cleeren, Übersetzung: M.Lüttgens

Meinung: Warum Pflichtboxenstopps für die Formel 1 keine Lösung sind

Mit Pflichtboxenstopps zu besserem Racing in der Formel 1: Diese Idee ist zu kurz gedacht, finden unsere Autoren

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 ist ein komplexes Gebilde - und komplexe Probleme lassen sich selten mit einfachen Lösungen beheben. Doch genau das scheint im Fahrerlager der Formel 1 nach den ersten drei Rennen der Saison 2025 diskutiert zu werden. Drei Siege von der Poleposition, zuletzt ein taktischer Stillstand beim Großen Preis von Japan: Die Forderung nach einem verpflichtenden zweiten Boxenstopp gewinnt an Fahrt. Doch Vorsicht ist geboten - denn der Schein trügt.

Titel-Bild zur News: Oscar Piastri

Boxenstopp des McLaren-Teams (Symbolbild) Zoom

Ja, es gibt Vorbilder: In Katar 2023 setzte der Automobil-Weltverband FIA aufgrund von Sicherheitsbedenken ein Limit für die Stintlänge und erzwang so ein Dreistopp-Rennen. Und für Monaco 2025 wurde sogar ein Mindestmaß von zwei Stopps beschlossen - unabhängig vom Wetter. Doch das waren Reaktionen auf spezifische Umstände, keine Blaupause für die gesamte Saison.

Pflichtstopps: Simpel gedacht, aber problematisch in der Praxis

Die Idee: Mehr Boxenstopps gleich mehr Strategievielfalt, gleich mehr Action. Aber das ist eine Milchmädchenrechnung. Denn genau das Gegenteil könnte eintreten: Weniger taktische Optionen, mehr strategische Einheitslösungen - und ein künstlich erzeugtes Risiko durch zusätzliche Boxenstopps, das am Ende mehr Frust als Spannung erzeugt.

Tatsächlich sind Überholmanöver in der modernen Formel 1 ein rares Gut, weil die Performance der Autos ähnlich ist. Die logische Konsequenz: Teams tun alles, um ihre Position auf der Rennstrecke zu verteidigen - also möglichst wenig stoppen. Mehr Stopps zu erzwingen mag dieses Kalkül durcheinanderbringen, doch das Risiko für Fehler steigt ebenso. Spannung? Ja, vielleicht - aber nicht aus sportlicher, sondern aus künstlich erzeugter Unsicherheit.

Katar 2023: Ein Sonderfall, kein Modell

Das Rennen in Katar war für viele ein positives Beispiel. Kurze Stints bedeuteten: Volle Attacke statt Reifenmanagement. Mercedes-Teamchef Toto Wolff wünschte sich mehr Rennen dieses Stils. Doch: Max Verstappen gewann trotzdem von der Pole - und der Rest der Saison war nur noch Formsache. Spannung? Pustekuchen!


Boxenstopps in der F1: So schnell wie noch nie!

Abgefertigt in Rekordzeit, unter drei Sekunden - wie geht das? In diesem Video nehmen wir die immer neuen Boxenstopp-Rekorde unter die Lupe. Weitere Formel-1-Videos

Und überhaupt: Sobald ein einzelnes Rennen als Musterlösung herangezogen wird, sollten die Alarmglocken läuten. Ähnlich war es 2010 in Kanada, als ein überraschend abwechslungsreicher Grand Prix dazu führte, dass die F1 auf abbauende Reifen setzte - mit all den bekannten Folgen. Heute klagen dieselben Fahrer, die damals nach mehr Verschleiß riefen, über Reifen, die zu stark abbauen.

Sainz: Es braucht ein bisschen ein Chaos

Carlos Sainz brachte es vor dem Bahrain-Grand-Prix auf den Punkt: "Was Überholen ermöglicht, ist ein Delta zum Vordermann." Es braucht einen echten Leistungsunterschied - durch Strategie, durch Reifenwahl, durch clevere Taktik. Eine festgeschriebene Zahl an Boxenstopps führt genau zum Gegenteil: gleiche Strategie, gleiche Reifen, gleiches Ergebnis.

Ein weiteres Problem: Die Reifenmischungen für 2025 stehen bereits fest. Anpassungen im Saisonverlauf sind nur begrenzt möglich, denn die Reifen werden aus Nachhaltigkeitsgründen per Schiff transportiert. Flexibilität? Fehlanzeige.

Pirelli: Auf der Suche nach dem Mittelweg

Pirelli selbst hat die Kritik der Fahrer ernst genommen. Man will künftig bei der Auswahl der Reifenmischungen wieder mutiger werden, um mehr Spannung zu erzeugen. So wird ab Dschidda auf weichere Reifen gesetzt, um das strategische Fenster zwischen Ein- und Zweistoppern wieder zu öffnen. Nur so entstehen echte Unterschiede - die am Ende auch zu mehr Überholchancen führen.

Simone Berra, leitender Ingenieur von Pirelli, bestätigt: "Wir haben beschlossen, für die nächsten Rennen einen Schritt weicher zu gehen, um es für die Teams schwieriger - und das Racing interessanter - zu machen."

Fazit: Komplexe Probleme brauchen kluge Lösungen

Pflichtboxenstopps mögen auf dem Papier einfach erscheinen - doch sie sind keine Lösung, sondern Symptombehandlung. Sie ersetzen nicht die nötige Arbeit an den wahren Stellschrauben: Reifenwahl, Strategievielfalt und technische Rahmenbedingungen, die echtes Racing ermöglichen.

Wer echte Spannung will, braucht keine künstlichen Eingriffe, sondern eine Balance zwischen Risiko, Performance und Taktik. Und das lässt sich nicht per Dekret verordnen